WILLKOMMEN IM LEBEN „Meine Herkunft – von Polen nach Deutschland“ Als ich mein 21. Lebensjahr erreicht hatte, stand für mich fest, dass ich nach Deutschland aus- wandere. Meine Schwester lebte bereits in Deutschland und berichtete von der Lebensqualität und der Arbeitswelt in Deutschland. Also kündigte ich meinen Job als Schneider in Polen, ging nach Nürn- berg und fand da recht schnell Anschluss. Ich machte einen Sprachkurs, übte ver- schiedene Tätigkeiten als Helfer aus. Zuletzt arbeitete ich als Angestellter in der Industrie. Nachdem dann 2019 in dem Unternehmen, in dem bereits seit 25 Jahren tätig war, eine Umstrukturie- rung vorgenommen wurde und sich die Arbeitsbedingungen zu meinem Nachteil änderten, entschied ich, mich mit 48 Jahren nochmal beruflich umzuorientieren. Das war ein großer Schritt für mich, dennoch begab ich mich wieder in die Schule und arbeitete parallel im Kinder- und Jugendbereich. Dort betreute ich Kin- der und Jugendliche mit psychischen und physischen Beeinträchtigungen. Ich hatte viele Bedenken, nicht nur wegen meines Alters, dahinter steckten auch fi- nanzielle Sorgen, Ängste, die Ausbildung aufgrund meiner Sprachkenntnisse nicht zu schaffen und im Nachhinein festzustellen, dass die Entscheidung nicht richtig war. Doch vor kurzem habe ich die Ausbildung als Heilerziehungspfleger absolviert und bin sehr stolz, dies trotz meiner Unsicherheiten gemeis- tert zu haben. Rückblickend hat mich meine Entschei- dung zur beruflichen Umorientierung und die damit abgeschlossene berufli- che Ausbildung in meiner persönlichen Entwicklung gestärkt. Ferner hat es mich darin motiviert, an meiner beruflichen Situation weiterzuarbeiten, mich zu öffnen und neue Herausforderungen anzunehmen, sodass ich voller Zuversicht eine Fortbildung als Syste- mischer Berater anstrebe. Dies trägt nun einen großen Teil dazu bei, dass ich das Gefühl habe, in Deutschland angekommen zu sein. Hier fühle ich mich zuhause und kann mir nicht vorstellen, dauerhaft nach Polen zurückzukehren. Adrian Staisch, Freundeskreis Hilpoltstein „Meine Familie hat mich in andere Bahnen gelenkt“ Einer der schönsten Momente in meinem Leben war es, als ich vor 14 Jahren meinen jetzigen Mann Mirko kennenlernte. Er ist trockener Al- koholiker und hat mir das auch von Anfang an nicht verschwiegen. Nun könnte man sich fragen: Was soll daran schön sein? Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass seit dieser Zeit eine gemeinsame Reise durchs Leben begonnen hat, auf welcher sich ein großen Teil meiner Träume und Vorstellungen vom Leben erfüllt hat, was ich nicht zu hoffen gewagt hatte. Durch Mirko habe ich Dinge aus mei- nem eigenen Leben erfahren und hinter- fragt und dabei erkannt, dass das Thema „Alkohol“ auch bei mir eine Rolle gespielt hat. Früher hatte mich das nicht interes- siert, ich fand es normal, wenn mein Vater und mein früherer Lebenspartner zu viel getrun- ken hatten. Ich habe sogar mitgemacht, anfangs aus Spaß und wegen der guten Laune, später aber auch, um bestimmte Situationen ertragen zu können. Mir- ko lernte mich kennen, als ich im Alkoholmissbrauch schon drin war. Wir führten lange Gespräche und er zeigte mir, was das alles bedeutet und dass er Angst hatte, dass ich noch tiefer abrutsche. Er erzählte mir von den Freundeskreisen und wie er den Weg vom Alkohol weg gefunden hatte. Für mich war das sehr interessant und ich begann, ihn zu Seminaren und Treffen zu begleiten. Dadurch fühlte ich mich mit den Freundeskreisen mehr und mehr verbunden und das Verlangen nach Alkohol verblasste immer mehr. Ich brauchte ihn nicht, um froh zu sein oder für ir- gendetwas anderes. Jetzt bin ich selbst seit zehn Jahren eh- renamtlich für die Freundeskreise tätig. Diese Aufgabe ist für mich ein toller Abschnitt in meinem Leben, welcher noch nicht zu Ende ist. Wir haben viele Höhen und Tiefen in unserer bisherigen Zeit gemeinsam mit den Kindern und der Familie und auch mit Hilfe von Freunden gemeistert und ich hoffe, dass dieses Mitei- nander und Füreinander noch lange anhält. Ich möchte damit sagen, dass diese Erzählung für mich bedeutet, nicht aufzugeben und nach vorne zu schau- en. Für mich war dieser Lebensmoment ein entschei- dender Moment, mein Leben in andere Bahnen zu len- ken – und ich bin sehr glücklich darüber. Béatrice Schober, stv. Vorsitzende im Bundesverband FreundeskreisJournal | 1/2023 9 W I L L K O M M E N I M L E B E N